Nachts im Körper: T-Zellen werden im Schlaf mobilisiert

Im Schlaf kapselt sich der Körper von der Außenwelt ab und interagiert für ein paar Stunden am Tag wenig mit seiner Umwelt. Die Ruhe trügt allerdings: Offenbar laufen im Schlaf mehr Dinge ab, als wir wahrnehmen. Der Körper regeneriert sich, verarbeitet Gelerntes und bringt, wie es scheint, auch seine Abwehr auf Vordermann.

Impfungen zeigten den Weg

Bekannt ist dies aus Untersuchungen zur Impfantwort.¹ So wurde in experimentellen Studien am Menschen beobachtet, dass Schlaf nach der Impfung die antigenspezifische Antikörper- und T-Zell-Antwort im Vergleich zu nächtlichem Wachbleiben verdoppelte. Andersherum zeigten Beobachtungsstudien an größeren Populationen einen engen Zusammenhang zwischen kurzer gewohnheitsmäßiger Schlafdauer und verminderter Reaktion auf Impfungen. Allerdings wurden die zugrundeliegenden Mechanismen bislang noch nicht gut verstanden.

Viel Schlaf – wenige T-Zellen im Blut

Blutuntersuchungen zeigten ebenso, dass Langschläfer:innen weniger T-Zellen im Blut haben als Nachtaktive. Deshalb wurde vermutet, dass Schlaf die Extravasation von T-Zellen und ihre anschließende Umverteilung in Lymphknoten fördert, so dass die adaptive Immunantwort initiiert werden kann. Dieser Vermutung wurde nun nachgegangen.

CCL19 lockt die T-Zellen in die Lymphknoten

T-Zellen werden wohl von einem in Lymphknoten befindlichen Zytokin aus der Familie der C-C-Chemokine, nämlich dem CC-Ligand 19 (CCL 19) angelockt, für den sie einen Rezeptor tragen. Je länger der Schlaf dauert, desto ausgeprägter der Lockruf. Der Effekt ist abhängig vom Wachstumshormon GH und Prolaktin – beides Hormone, die die Funktion der adaptiven Immunabwehr fördern und in größerer Menge im Schlaf abgegeben werden. Zwar nahmen an dieser Untersuchung lediglich 14 gesunde Männer und Frauen teil. Jedoch sind die Hinweise sehr deutlich.¹

Im Schlaf entnommenes Blut als Beleg

Das Blut enthält bei Schlafenden um 2:00 Uhr in der Nacht die höchsten Spiegel der beiden Hormone GH und Prolaktin. Wird das Blutplasma dieser Proben mit dem Blut von Personen, die eine Nacht ohne Schlaf verbracht haben, für zwei Stunden zusammengebracht, dann lässt sich durch das Nachtblut die T-Zell-Wanderung anregen.

Praktische Anwendung bei schwacher Impfantwort

Diesen Effekt könnte sich die Medizin zukünftig zunutze machen. Menschen, deren Immunsystem kaum auf eine Impfung reagiert, wie es bei älteren Personen häufiger vorkommt, könnten durch das Plasma von schlafenden Menschen profitieren. Die beiden im Schlaf ausgeschütteten Hormone GH und Prolaktin helfen einem müden Immunsystem anscheinend auf die Sprünge.

Tipp für Nachteulen

Dass eine durchgemachte Nacht sich schlecht auf das Immunsystem auswirkt, kann auch eine wichtige Botschaft an alle Kurzschläfer:innen sein. Den Schlaf einfach in der nächsten Nacht nachzuholen, funktioniert leider nicht, wie die Studie auch zeigen konnte.¹ Die verminderte T-Zell-Migration normalisiert sich nicht durch eine Nacht mit ausreichendem Schlaf. Offensichtlich ist das Immunsystem nachhaltig empfindlich gegenüber Schlafmangel. Diese Erkenntnisse können für Menschen mit Schlafdefiziten eine wichtige Botschaft sein.

[1] Martínez-Albert E et al. Sleep promotes T-cell migration towards CCL19 via growth hormone and prolactin signaling in humans. Brain, Behav Immunity 2024:118:69–77.